Nachhaltigkeit in der Technischen Doku und im After-Sales & Service: Das sagen Experten zu den neuen EU-Vorgaben

Veröffentlicht: 05.09.2024 Aktualisiert: 05.09.2024

Die EU verpflichtet Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit. Wie können Hersteller diese Vorgaben erfolgreich umsetzen? Und inwiefern betreffen sie die Technische Dokumentation und After-Sales & Service? Diese Fragen beantworteten die Experten Lissa Sum, Stefan Gruber-Barowitsch und Carsten Neugrodda in einem Quanos-Webinar. Eine Zusammenfassung.

Das Lieferkettengesetz, das Right to Repair oder auch der digitale Produktpass: Mit ihrer Gesetzgebung zielt die Europäische Union darauf ab, die Wirtschaft nachhaltiger auszurichten. Beim Webinar „Nachhaltigkeit erfolgreich gestalten – Praxistipps für eine zukunftsfähige Industrie“ diskutierten drei Experten unter der Leitung von Moderator Robert Hacker, Vice President Marketing bei Quanos, über die Auswirkungen auf Unternehmen und speziell auf die Bereiche Technische Dokumentation sowie After-Sales & Service. Erfahren Sie, was sich konkret ändern wird und wie Lissa Sum, Sustainability Managerin und Senior Consultant bei 4L Impact Strategies, Congram-Geschäftsführer Stefan Gruber-Barowitsch und Carsten Neugrodda, CEO des Service-Verbands KVD, die neuen Vorgaben beurteilen.

 

Das Lieferkettengesetz: Mehr Bewusstsein für Menschenrechtsverletzungen

Das Lieferkettengesetz gilt in Deutschland seit Anfang 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitenden. Sie sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass entlang ihrer gesamten Lieferketten Menschenrechte gewahrt und Umweltschutzstandards eingehalten werden. Die Europäische Union hat ihrerseits eine Lieferkettenrichtlinie verabschiedet, die die Mitgliedsstaaten bis 2026 umsetzen müssen.

„Man muss mit einer niedrigen Erwartung an das Gesetz herangehen“, sagt Lissa Sum. Es dauere je nach Unternehmen Jahre, die Lieferketten bis zum Ausgangspunkt zu durchleuchten. Sie empfiehlt, einen „Supplier Code of Conduct“ aufzusetzen. Möglich seien auch Audits bei Lieferanten. Transparenz zu schaffen, sei zwar „aufwendig, aber absolut notwendig“, um sich der Verletzungen von Menschenrechten und Umweltzerstörungen weltweit bewusst zu werden und mit diesem Wissen Lieferketten neu zu gestalten. „Solche Gesetze wollen uns aufrütteln“, meint auch Carsten Neugrodda.

 

Right to Repair: Reparaturanleitungen als Zusatzaufgabe für die Technische Dokumentation

Das Reparieren von Geräten soll künftig einfacher und kostengünstiger sein. So sieht es eine EU-weite Richtlinie vor, die noch in nationales Recht umgesetzt werden muss. Ziel ist es, dass Produkte länger verwendet werden. Die Zahl der Neukäufe soll sinken – und damit auch der Berg an Elektroschrott. Hersteller werden verpflichtet, bestimmte Geräte wie Waschmaschinen, Geschirrspüler, Kühlschränke und Smartphones auch nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung zu reparieren. Innerhalb der Gewährleistung gibt es einen Anreiz für die Reparatur statt des Austauschs gegen ein Neugerät. Eine Online-Plattform soll Verbraucher dabei unterstützen, lokale Reparaturwerkstätten, Verkäufer generalüberholter Geräte oder auch Repaircafés zu finden.

Für die Technische Dokumentation ergibt sich daraus die Pflicht, Verbrauchern künftig Reparaturinformationen bereitzustellen. Nur sei diese Zielgruppe im Vergleich zu Servicetechnikern weitestgehend unbekannt, was etwa ihr technisches Verständnis und ihr Bildungsniveau angeht, meint Stefan Gruber-Barowitsch: „Ich muss in der Technischen Dokumentation nicht nur Reparaturanleitungen schreiben, die bislang vielleicht nicht notwendig waren, weil der Service keine benötigte. Ich habe vermehrt den Bedarf an Ersatzteilinformationen und muss über Ausrüstung und Werkzeuge informieren. Das Thema Warn- und Sicherheitshinweise erhält eine verstärkte Bedeutung, weil meine Zielgruppe immer unbekannter wird.“ Auf Technische Redaktionen kommen mit dem Right to Repair zusätzliche Aufgaben zu.

 

Der digitale Produktpass: Alle Informationen an einem Platz

Eine Art Reisepass mit allen Informationen rund um ein Produkt: Das ist der digitale Produktpass, der EU-weit Pflicht wird. Er umfasst beispielsweise Daten zu den bei der Herstellung verwendeten Rohstoffen, Informationen zu Ersatzteilen, Reparaturmöglichkeiten und der Entsorgung. Für Batterien ist der digitale Produktpass ab 2027 vorgeschrieben, weitere Produktkategorien werden folgen. Verbrauchern ermöglicht er mehr Transparenz. Sie werden ihre Kaufentscheidungen künftig leichter von nachhaltigen Kriterien abhängig machen können.

Für Carsten Neugrodda wird der digitale Produktpass aber auch einen entscheidenden Vorteil für Servicetechniker mit sich bringen, weil darin über die Technische Dokumentation und die Ersatzteilinformationen hinaus nützliche Informationen abrufbar sein werden: „Beides lässt sich kombinieren, was dem Service hilft.“

 

CSRD Reporting: Nachhaltigkeitsberichte als Wettbewerbsvorteil

Die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz: CSRD) verpflichtet mehr Unternehmen als bislang dazu, Transparenz über die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Mensch und Umwelt zu schaffen. Betroffen sind insbesondere große Unternehmen. Die Europäische Union hat dazu Schwellenwerte zur Bilanzsumme, den Nettoumsatzerlösen bzw. der Beschäftigtenzahl vorgegeben, ab der die Vorgabe für sie gilt. Auch börsennotierte KMU werden darunterfallen. Die Pflicht zur Berichterstattung wird schrittweise ausgeweitet. Thematisch müssen die Berichte die Bereiche Umwelt, Soziales und Menschenrechte, aber auch Governance, also die nachhaltige Unternehmensführung, abdecken.

Viel Aufwand, aber mehr als Bürokratie? Ja, meint Lissa Sum und verweist auf den Hintergrundgedanken der Vorgabe: „Die Europäische Union hat ein riesiges Interesse daran, dass sich die Wirtschaft nachhaltig aufstellt und damit zukunftsfähig ist. Die EU will, dass die Wirtschaft brummt.“ Die Berichtspflicht bedeute besonders zu Anfang viel Arbeit, bringe die Unternehmen aber weiter. Auch Carsten Neugrodda appelliert daran, Nachhaltigkeit als Chance und als einen Wettbewerbsvorteil anzusehen.

Die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung fordert die digitale Bereitstellung der Daten. Dazu wird aktuell ein einheitlicher Standard erarbeitet, der auf XML beruht und als XBRL (Extensible Business Reporting Language) bezeichnet wird. Unternehmen mit einer technischen Redaktion, die bereits mit einem XML-basierten Redaktionssystem arbeitet, hätten dadurch „einen Hebel, diesen Standard einzuführen und umsetzen, um maschinell berichten zu können“, sagt Stefan Gruber-Barowitsch.

 

Fazit: Seien Sie vorbereitet und sehen Sie Nachhaltigkeit als Chance!

Wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern, ergeben sich neue Aufgaben und Herausforderungen für Unternehmen. Im Quanos-Webinar appellierten die Experten daran, Nachhaltigkeit nicht als lästige Pflicht zu sehen, sondern als Chance für Wachstum.

Zugleich schreitet die Digitalisierung voran. Unternehmen, die hier bereits gut aufgestellt sind und zum Beispiel in Ihrer Technischen Redaktion ein XML-basiertes Redaktionssystem implementiert oder sämtliche servicerelevante Informationen in ein System integriert haben, sind im Vorteil, weil sie die neuen Vorgaben leichter erfüllen können.

 

 

Sie möchten tiefer in das Thema eintauchen? Dann schauen Sie sich gerne die Aufzeichnung des Webinars „Nachhaltigkeit erfolgreich gestalten – Praxistipps für eine zukunftsfähige Industrie“ an!

 

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