Technische Redaktion 4.0: Wie BERNINA, Bühler und Miele smarte Informationsstrukturen aufbauen
Die Technische Redaktion spielt in vielen Unternehmen eine unterschätzte Rolle – oft isoliert und auf die Erstellung von Handbüchern reduziert. Doch in Zeiten der Digitalisierung wird ihr Potenzial neu entdeckt. Bei BERNINA, Bühler und Miele entwickelt sich die Technische Redaktion zu einem zentralen Knotenpunkt, der Abteilungen vernetzt und smarte Informationsstrukturen aufbaut.
In unserem Webinar teilten Mirko Trepzik (BERNINA), Daniel Ott (Bühler AG) und David Kavermann (Miele) ihre innovativen Ansätze. Sie erklärten, wie sie mit der Idee einer „Single Source of Truth“ Informationssilos aufgebrochen und eine einheitliche Datenbasis geschaffen haben, die nicht nur die Effizienz steigert, sondern auch die Grundlage für die digitale Transformation legt. Im Folgenden zeigen wir Ihnen die wichtigsten Aussagen des Webinars noch einmal auf.
Herr Trepzik, könnten Sie uns kurz etwas über Ihre Rolle bei Bernina und die Vision Ihres Projektes erzählen?
Mirko Trepzik: Gerne! Ich bin seit über 20 Jahren in der Technischen Kommunikation tätig und seit sechs Jahren bei Bernina, einem weltweit führenden Hersteller von Näh- und Stickmaschinen. Unsere Vision ist es, die Technische Dokumentation als Informationshub im Unternehmen zu etablieren. Dies bedeutet, dass wir nicht nur Anleitungen schreiben, sondern Daten aus den verschiedenen Abteilungen sammeln und so aufbereiten, dass diese gezielt, in kleinen Informationshäppchen, an unterschiedliche Zielgruppen verteilt werden können.
Herr Ott, können Sie uns einen Einblick in Ihre Arbeit bei Bühler geben?
Daniel Ott: Sehr gerne. Ich arbeite als Data Engineer und Projektleiter im Bereich „Advanced Materials“. Bühler ist ein global agierendes Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau mit über 12.400 Mitarbeitern. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, eine zentrale Single Source of Truth für unsere technischen Informationen zu schaffen, um Redundanzen zu vermeiden und eine konsistente Informationsbasis über alle Standorte hinweg zu gewährleisten.
Das klingt spannend. Herr Kavermann, auch Sie haben bei Miele eine klare Vision für das Management von technischen Informationen. Können Sie uns kurz Ihre Herangehensweise erläutern?
David Kavermann: Natürlich. Bei Miele stehen die digitale Transformation und die Bereitstellung smarter Informationen im Fokus. Wir entwickeln digitale Gebrauchsanleitungen und interaktive Hilfestellungen, die unsere Kunden genau dann unterstützen, wenn sie sie brauchen – sei es bei der Bedienung unserer Geräte oder zur Inspiration, wie unsere Produkte am besten genutzt werden können.
Um die Vision und die Ziele Ihrer Projekte noch besser zu verstehen, möchte ich Sie fragen: Warum haben Sie entschieden, diese Projekte zu starten?
Mirko Trepzik: Unser Ziel bei Bernina war es, Informationsbrücken zu bauen. Oft arbeiten Abteilungen isoliert voneinander, und die Technische Dokumentation war lange eine Insel für sich. Wir wollten die Silos aufbrechen und durch bessere Vernetzung sicherstellen, dass alle relevanten Informationen in einem Datenpool zusammengeführt werden. Der Gedanke dahinter ist, dass wir als Technische Redaktion Informationen nicht nur produzieren, sondern auch für die gesamte Organisation als interner Dienstleister aufbereiten.
Das heißt, die Dokumentation ist nicht mehr nur reaktiver Dienstleister, sondern aktiv in den Informationsfluss integriert. Herr Ott, wie sah Ihre Motivation aus?
Daniel Ott: Wir wollten weg von einem unstrukturierten Ansatz, bei dem jeder Standort seine eigenen Informationsquellen pflegt. Bei rund 130 bis 180 Anleitungen pro Jahr allein im Bereich Grains & Foods, war es enorm schwierig, den Überblick zu behalten. Eine Single Source of Truth war der logische Schritt, um die Effizienz zu steigern und die Konsistenz sicherzustellen. Dies schafft die Grundlage für zukünftige Entwicklungen, wie etwa der Digital Twin unserer Maschinen.
Also ging es bei Ihnen um das Lösen von Informationsflut und Redundanzen. Herr Kavermann, welche Ziele verfolgen Sie?
David Kavermann: Wir haben erkannt, dass die Bedürfnisse unserer Kunden heute ganz anders sind als noch vor einigen Jahren. Wir wollten kontextabhängige und interaktive Informationen bereitstellen, die dem Kunden genau dann weiterhelfen, wenn er sie benötigt. Dies war unser Antrieb für den Wandel hin zu einem digitalen Informationsmanagement, bei dem traditionelle Anleitungen in digitale Erlebnisse umgewandelt werden.
Sehen Sie sich den Expertentalk als Video an!
In unserer Webinaraufzeichnung diskutieren Mirko Trepzik (BERNINA), Daniel Ott (Bühler AG) und David Kavermann (Miele) ihre innovativen Ansätze, wie sie mit smarten Informationsstrukturen und einer „Single Source of Truth“ Brücken zu anderen Abteilungen gebaut haben. Begleiten Sie uns auf dieser Reise und lassen Sie sich inspirieren, smarte Informationssysteme auch in Ihrem Unternehmen zu etablieren!
Nun haben Sie alle von großen Zielen gesprochen. Aber wie genau haben Sie diese Visionen in die Praxis umgesetzt?
Mirko Trepzik: Wir sind Schritt für Schritt vorgegangen. Der erste Schritt war, die internen Prozesse zu optimieren und eine leistungsstarke Toollandschaft aufzubauen. Dann haben wir uns mit anderen Abteilungen vernetzt und angefangen, die Informationen aus den verschiedenen Bereichen in einen zentralen Datenpool zu überführen. Dies erforderte viel Kommunikation und ein klares Verständnis dafür, welche Informationen wo entstehen und wie sie genutzt werden können.
Das klingt nach einer intensiven Aufbauarbeit. Herr Ott, wie war der Ablauf bei Bühler?
Daniel Ott: Auch wir sind schrittweise vorgegangen. Zunächst haben wir in kleinen Meetings die Anforderungen der verschiedenen Abteilungen zusammengetragen. Daraus entstand das Projekt DICE – Dynamic Interactive Customer Experience – mit dem Ziel, die gesamte Toollandschaft zu vereinheitlichen. Dabei haben wir uns auf gute Daten/Datenbanken konzentriert, um eine solide Grundlage für die Single Source of Truth zu schaffen.
Herr Kavermann, wie sieht Ihre Herangehensweise bei Miele aus?
David Kavermann: Wir haben zunächst den IST-Zustand genau analysiert und uns mit Kundenbefragungen ein Bild vom Informationsbedarf gemacht. Anschließend haben wir Szenarien entwickelt, um herauszufinden, wann welche Informationen benötigt werden und wie diese am besten bereitgestellt werden können. Auf dieser Basis haben wir dann die digitale Transformation unserer Dokumentationsprozesse vorangetrieben.
Es klingt so, als hätten Sie bereits viel erreicht. Was sind die nächsten Schritte?
Mirko Trepzik: Wir wollen die Informationen jetzt noch stärker skalieren und auf die Schwesterfirmen und Niederlassungen ausweiten. Langfristig möchten wir, dass jeder Mitarbeiter auf Knopfdruck die benötigten Informationen erhält.
Daniel Ott: Unser nächstes Ziel ist die vollständige Integration der Single Source of Truth in den gesamten Produktlebenszyklus, sodass wir Informationen automatisiert für neue Maschinen und Services generieren können.
David Kavermann: Wir werden die Kundenbedürfnisse weiterhin genau beobachten und unsere digitalen Inhalte stetig anpassen, um eine möglichst personalisiertes Nutzungserlebnis zu bieten.
Zum Schluss: Welche Tipps haben Sie für Unternehmen, die ähnliche Projekte starten möchten?
Mirko Trepzik: Man sollte unbedingt klein anfangen und auf bereits existierenden Prozessen aufbauen. Netzwerke und ein gutes Change Management sind der Schlüssel.
Daniel Ott: Ein starkes Management-Backing ist entscheidend. Ohne Unterstützung von oben ist es schwer, große Veränderungsprojekte durchzuführen. Smarte Informationen sind ein wichtiger Bestandteil einer Digitalisierung.
David Kavermann: Man muss den Kunden immer im Blick behalten und bereit sein, von ihm zu lernen. Letztlich sind seine Bedürfnisse der Maßstab für den Erfolg.
Vielen Dank an alle drei Experten für diesen inspirierenden Austausch!
Mirko Trepzik, Information Designer, Content Strategist, Technical Writer, Lead Content Manager @ BERNINA
Mirko Trepzik leitet bei der BERNINA International AG die Abteilung Informationsdesign und liebt es über den Tellerrand zu schauen. Er hat ein wachsames Auge auf das Thema Single Source, um es Schritt für Schritt im gesamten Unternehmen auszuweiten. Daten sammeln, aufbereiten und neue Informationsprodukte schaffen, und damit Mehrwert für Kund:innen und das ganze Unternehmen schaffen, hat er sich auf die Fahne geschrieben.
David Kavermann, Head of Content Management @ Miele
David Kavermann studierte Technische Redaktion B.A. und Kommunikation & Medienmanagement M.Sc. an der HS Karlsruhe. 2016 startete er bei der Robert Bosch GmbH im Geschäftsbereich Automotive Aftermarket als Informationsentwickler und -architekt für Technische Kommunikation. Seit Oktober 2021 ist er Information Manager bei Miele & Cie. KG und verantwortet das unternehmensweite Content Management für Technische Kommunikation.
Daniel Ott, Head of Technical Documentation @ Bühler Group
Daniel Ott ist seit 2013 bei der Bühler Group tätig und leitet den Bereich «Digital Product Information» für den Geschäftsbereich Grains & Food. Hauptaufgabe ist die Erstellung und Pflege von technischen Dokumentationen für die Endkunden. Zudem leitet er das Projekt dice, welches die Digitalisierung von technischen Produktinformationen als Ziel hat. Standardisieren von Prozessen und Rollen sowie das Vereinheitlichen der globalen IT-Architektur stehen dabei im Mittelpunkt.
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