Alle mit ins Boot holen - Inklusive Sprache in Unternehmen
Wie Menschen in unserer Sprache dargestellt werden sollen, ist zur Zeit ein heiß diskutiertes Thema. Die Meinungen reichen von „woken“ Sprachregularien bis hin zu polemischen Beschwerden über „Sprachpolizei“ und „Gender-Gaga“. Doch wie sollte ein Unternehmen mit diesen Trends umgehen? Muss es das überhaupt? Oder kann nicht einfach alles so bleiben, wie es schon immer war? Wir haben uns das Thema Diversity und Sprache einmal angesehen.
Gendern und Sprache
Warum muss die Sprache sich überhaupt mit Geschlecht und Diversität auseinandersetzen? Reicht es nicht aus, dass gesetzliche Regelungen dafür sorgen, damit niemand benachteiligt wird? Der Grund ist ein einfacher: Sprache wirkt! Sie schafft Bilder und Zusammenhänge. Sprache bildet nicht nur die Realität ab, sie beeinflusst auch, wie wir die Realität sehen. Durch Sprache lassen sich Weltbilder transportieren, auch unterbewusst.
Andererseits verändert sich Sprache oft nur langsam. Sie bildet deshalb oft eine Welt ab, die in dieser Form nicht mehr existiert. Außerdem berücksichtigt sie neue Entwicklungen nicht, die längst Normalität geworden sind. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) definiert sechs Diversity-Dimensionen als gesellschaftliche Gruppen, die nicht benachteiligt werden sollen: Geschlecht, sexuelle Identität, ethnische Herkunft, Alter, Behinderung und Religion bzw. Weltanschauung. Andere Institutionen wie z. B. die Europäische Menschenrechtskommission ergänzen hier noch weitere Aspekte, beispielsweise die Vermögensverhältnisse einer Person. Eine inklusive Sprache sollte deshalb dafür sorgen, dass sie den Blickwinkeln und Bedürfnissen all dieser sozialen Gruppen gerecht wird.
Für Unternehmen ist das nicht nur eine Frage der sozialen Verantwortung. Inklusive Sprache hat auch eine ökonomische Komponente. So definieren gerade junge Erwachsene der Gen Z ihre Geschlechtsidentität besonders vielfältig; fast ein Drittel versteht sich als nicht hetero-sexuell. Nicht zu gendern und diese Sichten nicht anzusprechen lässt Unternehmen in den Augen dieser Zielgruppe schnell altmodisch erscheinen. Nachteile bei der Suche nach jungen Talenten drohen, die Kundschaft fühlt sich nicht angesprochen und kauft Konkurrenz-Produkte, die Unternehmenskultur leidet und die Belegschaft ist unzufrieden – die Konsequenzen wirken sich ökonomisch auf vielen Ebenen aus.
Gendern ist mehr als *
Fast alle glauben, genau zu wissen, was Gendern ausmacht: ungewöhnliche Schreibungen mit Binnen-Doppelpunkt oder Sternchen. Tatsächlich ist Gendern aber mehr als das. Gendern hat drei Aspekte:
1. Grammatisches Gendern:
Hier geht es um verschiedene Schreibweisen für geschlechtsneutrale bzw. -spezifische Wörter. Solche Schreibweisen können Sonderschreibungen sein. Sie können aber auch in Paarformen (Nutzer und Nutzerinnen) oder in der Vermeidung von geschlechtsbezogenen Wörtern („Abteilungsleitung“ statt „Abteilungsleiter“) bestehen.
2. Diskriminierende Wörter:
Hier geht es darum, einseitig abwertende oder aufwertende Begriffe zu vermeiden (z. B. „Putzfrau“, „Manpower“).
3. Stereotype:
Dieser Aspekt soll sicherstellen, dass in Wort und Bild keine stereotypen Äußerungen getroffen werden, z. B. der Mann geht zur Arbeit, während die Frau die Kinder für die Schule fertig macht.
Als Strategien für das Gendern bieten sich sowohl die Vermeidung von problematischen Sprachinhalten an als auch das Sichtbarmachen von anderen Geschlechtsidentitäten, wo diese durch die Sprache unberücksichtigt bleiben. Dennoch muss man festhalten, dass bisher kein allgemein akzeptierter Standard für gendergerechte Sprache existiert. Dies führt dazu, dass Schreibende stets aufs Neue Entscheidungen zum gendergerechten Sprachgebrauch treffen müssen und stets aufs Neue Position beziehen müssen, wie sie zu der Debatte stehen. Denn es gibt hier keine neutrale Haltung: Bestimmte Stilmittel für das Gendern zu verwenden ist ebenso eine Aussage wie z. B. das sogenannte generische Maskulinum zu verwenden. Beide Entscheidungen können gleichermaßen auf Kritik stoßen. Vielfach fühlen sich Schreibende deshalb allein gelassen.
Inklusive Sprache ist mehr als Gendern
Inklusive Sprache ist allerdings mehr als nur verschiedene Geschlechtsidentitäten zu berücksichtigen. Diversität existiert auf vielen Ebenen und mangelnde Wertschätzung drückt sich aus historischen Gründen in vielen Redewendungen aus.
So ist die deutsche Sprache von vielen Redewendungen durchsetzt, die ältere kolonialistische und rassistische Haltungen wieder geben. Die Debatte um „Schokoküsse“ wird in der Öffentlichkeit noch immer bewegt geführt; danebenstehen aber auch andere Ausdrücke wie „getürkt“, „Das kommt mir Spanisch vor“, „einen polnischen Abgang machen“. Solche Ausdrücke transportieren Mistrauen und Abwertung gegenüber anderen Nationalitäten, die die Mehrheit der Leute heute nicht mehr angemessen finden.
Ähnlich sieht es übrigens aus mit Ausdrücken, die Menschen aufgrund körperlicher oder geistiger Einschränkungen abwerten. Auch hier ist Feingefühl gefragt: „Ich finde das total behindert!“ ist ebenso unangemessen wie jemanden als „Krüppel“ oder „Spast“ zu bezeichnen. 7,9 Millionen Menschen in Deutschland sind schwerbehindert; solche Abwertungen treffen also einen großen Teil der Bevölkerung. Dabei kann auch scheinbar gut Gemeintes verletzend wirken: „Frau Meier ist an den Rollstuhl gefesselt“ ist so eine Aussage. Denn sie unterstellt Frau Meier, dass sie unter ihrer Situation leidet und hilflos ist, während sie selbst den Rollstuhl vielleicht gerade als etwas wahrnimmt, was ihr Freiheit gibt und ihre Autarkie stärkt.
Inklusive Sprache ist für Unternehmen im 21. Jahrhundert mehr als eine Mode. Sie ist eine Aufgabe, die aus der sozialen Verantwortung der Unternehmen entsteht. Sie ist aber auch im Eigeninteresse der Unternehmen, da sie sonst wichtige Zielgruppen nicht erreichen und ökonomische Nachteile in Kauf nehmen müssen.
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